Perspektiven
Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
"Wir brauchen mehr Innovationen denn je"

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist Nordrhein-Westfalen das wirtschaftsstärkste Bundesland Deutschlands. Als eine der zukunftsträchtigsten Branchen des Landes gilt die IT-Sicherheitsindustrie, die in der Rhein-Ruhr-Region stark vertreten ist. secuview sprach mit Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW, über Cybersicherheit, digitale Verwaltung und aktuelle Herausforderungen in Zeiten der Covid-19-Pandemie.

Im Interview
Prof. Dr. Andreas Pinkwart
Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
— Herr Minister Pinkwart, mit der Digitalisierung auch in der Wirtschaft gehen Risiken einher. Sind Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische, aus Ihrer Sicht angemessen vor Cyberbedrohungen geschützt?

Nach meiner Wahrnehmung waren viele Unternehmen bereits in den vergangenen Jahren sehr aktiv, was den Ausbau ihrer IT-technischen Infrastrukturen und Kompetenzen angeht. Dabei wurde viel in die Hardware, aber erfreulicherweise auch in die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert. Diesen Weg müssen gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land konsequent weitergehen. IT-Sicherheit muss professionell umgesetzt werden. Nur wenn die eigenen Daten gut geschützt werden und mit diesen verantwortungsvoll umgegangen wird, haben Kunden und Geschäftspartner das notwendige Vertrauen für eine langjährige und tiefgreifende Geschäftsbeziehung. Daher appelliere ich immer wieder an Vertreter aller Branchen und Unternehmen: IT-Sicherheit ist Chefsache und Investitionen in sichere digitale Geschäftsprozesse sind ein zunehmend wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg.

— Eines Ihrer Kernanliegen als Digital-Minister ist die Digitalisierung in der Verwaltung. Sie haben sich dabei hohe Ziele gesetzt. Wie weit konnten Sie diese bereits umsetzen?

Wir ziehen die komplette Digitalisierung von 2031 auf 2025 vor und beziehen Hochschulen und nahezu alle Landesbehörden ein. Wir investieren zusätzlich 600 Mio. Euro und machen damit die Verwaltung einfacher, schneller, einheitlicher und transparenter – und damit kundenfreundlicher. Mit der Novelle des E-Government-Gesetzes führen wir Regelungen zum Serviceportal NRW als Plattform für digitale Verwaltungsleistungen ein und schaffen damit die Grundlage für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Das wiederum bedeutet, dass wir bis Ende 2022 einen Großteil der Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Portale anbieten werden. Die Modellkommunen Aachen, Gelsenkirchen, Paderborn, Soest und Wuppertal bauen aktuell servicefreundliche digitale Bürgerbüros auf und stellen ihre Lösungen abschließend den anderen Städten und Gemeinden kostenlos zur Verfügung. Die angebotenen Dienstleistungen reichen von der Anmeldung zum Offenen Ganztag, zur Schule und zur Kita, über die Abfallentsorgung bis zur Erhebung der Hundesteuer. Last but not least: Auch für Unternehmen gibt es immer mehr digitale Angebote. Das Gewerbe-Service-Portal ist ein bundesweites Vorreiterprojekt, das aktuell zum Wirtschafts-Service-Portal ausgebaut wird. Schon heute können Gründerinnen und Gründer in Nordrhein-Westfalen elektronisch und ohne Medienbruch ihr Gewerbe anzeigen, um- oder abmelden und dafür elektronisch bezahlen.

Professor Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. (c) MWIDE NRW/E. Lichtenscheidt
— Während des Shutdowns wegen Covid-19 mussten manche Behörden innerhalb kürzester Zeit massenhaft Home-Office-Arbeitsplätze aufbauen und bereitstellen. Konnte die Cybersicherheit dabei Ihrer Einschätzung nach angemessen berücksichtigt werden? Schließlich arbeiten viele Behördenmitarbeiter mit sensiblen oder sogar eingestuften Daten.

Die Corona-Krise bedeutet für die Informationstechnik in der Landesverwaltung eine große Herausforderung. Wir haben diese Aufgabe gemeinsam und gut bewältigt, aber natürlich hat uns die Corona-Krise auch gezeigt, wo wir noch etwas lernen und unsere Prozesse optimieren können. Insgesamt können wir stolz darauf sein, dass wir innerhalb sehr kurzer Zeit unsere Infrastrukturen erheblich ausbauen konnten, und zwar – das ist mir besonders wichtig – ohne Abstriche bei der Sicherheit und dem Datenschutz zu machen. Innerhalb von zwei Monaten wurden insgesamt mehr als 14.000 Arbeitsplätze in Ministerien und Landesbehörden zu Home-Office-Arbeitsplätzen umgestaltet. Um diese Last zu bewältigen, erfolgte innerhalb weniger Wochen eine Verdopplung der Kapazitäten in der zentralen IT-Infrastruktur für die Telearbeit. Eine ähnliche Entwicklung haben wir auch bei den vom Land betriebenen Videokonferenz-Plattformen vollzogen: Deren Kapazitäten haben wir mehr als verdreifacht.

— Wird der Shutdown die Digitalisierung sprunghaft vorantreiben, so wie derzeit stark prognostiziert wird?

Jede Krise bietet bekanntlich Chancen. Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in der Verwaltung Schubkraft gegeben. Durch die in den vergangenen Jahren durchgeführten Maßnahmen zur Digitalisierung unserer Verwaltungsarbeit war es uns in den vergangenen Wochen möglich, im Wirtschafts- und Digitalministerium auch mit einer Vielzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home Office das „Soforthilfeprogramm Corona NRW“ aufzubauen. Damit konnten wir gemeinsam mit den engagierten Kolleginnen und Kollegen in den Bezirksregierungen über 400.000 Selbstständigen und kleinen sowie mittelständischen Unternehmen schnell und unbürokratisch helfen. Dies wäre vor einigen Jahren so nicht denkbar gewesen und bestärkt mich darin, bei Unternehmen und in der Gesellschaft weiterhin für eine konsequente digitale Transformation zu werben.

— In der Rhein-Ruhr-Region liegt einer der Hotspots für IT-Sicherheit in Deutschland und Europa. Wie wollen Sie diese Stärke der Region zukünftig positionieren?

Die Rhein-Ruhr-Region ist auch europaweit einer der bedeutendsten Standorte für IT-Sicherheit. Mich freut es dabei sehr, dass wir hier nicht nur von der exzellenten Wissenschaft reden, sondern auch die unternehmerische Landschaft eine herausragende Stellung einnimmt. Gerade in der IT-Sicherheit haben Existenzgründungen aus Nordrhein-Westfalen von sich reden gemacht und wir wollen die klugen Köpfe in unserem Land weiterhin dabei unterstützen, ihre Geschäftsideen auf eigene Beine zu stellen. In Zeiten von Corona brauchen wir mehr Innovationen denn je. Die Forschungs- und Entwicklungsförderung im Bereich von IT, KI und Digitalisierung wollen wir weiterführen und damit innovative Projekte unterstützen. Neben der direkten finanziellen Unterstützung ist mir sehr daran gelegen, den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft voranzutreiben – dabei geht es nicht nur um den Austausch innerhalb der Branchen, sondern vor allem darum, die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen aller Wirtschaftszweige in unserem Land beim Thema IT- und Cybersicherheit fit zu machen. Aus diesem Grund werden wir noch in diesem Jahr ein „Kompetenzzentrum Cybersicherheit für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen“ ausschreiben. Unser Credo ist: Wir wollen die IT-Sicherheit in der Wirtschaft stärken und das bestmögliche Umfeld für Innovationen und Ideen zu schaffen. Die Verbindung von herausragender Forschung und innovativen, hochspezialisierten Unternehmen in der IT-Sicherheit wird für unser Land auch in der internationalen Wahrnehmung zunehmend ein wichtiges Standortmerkmal werden.

Im Interview:
Professor Andreas Pinkwart wurde 1960 in Seelscheid, Nordrhein-Westfalen, geboren. Nach einer Banklehre studierte er Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster und der Universität Bonn, wo er 1991 promovierte.Im Jahr 1994 wurde er Professor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der FH für öffentliche Verwaltung NRW in Düsseldorf. 1998 wechselte er an die Universität Siegen, um einen Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre zu übernehmen. Im Rahmen eines Forschungsurlaubs von 2002 bis 2011 war Professor Pinkwart Mitglied des Deutschen Bundestages (2002 - 2005) und Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen (2005 - 2010). Im Jahr 2011 wurde Professor Pinkwart zum Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management ernannt und hat seitdem den Lehrstuhl des Stiftungsfonds Deutsche Bank für Innovationsmanagement und Entrepreneurship inne.Im Jahr 2017 wurde er Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.
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